Die Buchungszeile auf dem Kontoauszug der Buchung über mehr als 24.000 Euro an die Donau Versicherung lautet „Lebensversicherung“, für den ehemaligen Wirtschaftsbunddirektor Walter Natter. Mit Kuli durchgestrichen. Gemeinderatswahl 2015 daneben geschrieben. Passt.
Dass er ein Luxusauto, das nach einem Jahr mit 50.000 Euro in den Büchern steht, offenbar als Mitgift in die Pension bekam, monieren die Prüfer ebenso wie ein Darlehen von 250.000 Euro, das man Jürgen Kessler offenbar ohne jede Sicherheit als Unterstützungsleistung für einen Grundstückskauf gegeben hat. Daneben frivole Provisionsvereinbarungen für die gekeilten Inserate, die – vergessen wir das nicht – auch von Landesunternehmen wie der Hypobank in jeder Ausgabe geschaltet wurden.
Jeder Handelsschüler weiß, dass es keine Buchung ohne Beleg gibt. Beim Wirtschaftsbund der Wirtschaftspartei ÖVP fanden die Prüfer eine Buchhaltung per Ersatzbeleg, Selbstentnahmen, Umgehungen (Überweisung an die Gattin eines Wirtschaftskammerfunktionärs, der nebenher für den Wirtschaftsbund arbeitete) lässt uns fassungslos zurück. Dazwischen zig Ersatzbelege für die Fütterung von mutmaßlichen Schwarzkassen in den Büros der ÖVP-Wirtschaftslandesräte Karl Heinz Rüdisser und Marco Tittler. Die ÖVP sagt „Verfügungsmittel“ dazu.
Es ging nicht bloß um eine Lebensversicherung für den Wirtschaftsbunddirektor. Der Wirtschaftsbund ist und war die Lebensversicherung der Vorarlberger ÖVP und damit auch von Landeshauptmann Markus Wallner. Das beweist auch, dass die Finanzermittler sich laut den VN vorliegenden Akten keine Sorgen um die Eintreibbarkeit einer Forderung machen. Fünf Millionen habe der Wirtschaftsbund angehäuft, stellen sie fest. Ein frivoler Partei- und Funktionärs-Bankomat. Finanziert aus Landesgeld, Inseratenkeilerei – aber auch 100-Euro-Mitgliedsbeiträgen von braven Mitgliedern, die an eine Wirtschaftslobby-Organisation, an eine Vertretung ihrer Interessen glaubten: Buchungszeilen von Frisiersalons und KMU, die nichts von Provisionsvereinbarungen für Funktionäre wussten. Das Geld in Funktionärstaschen war auch ihr Geld, unser Geld.
Der Vorarlberger ÖVP scheint es an allem zu mangeln: einer internen Revision, einer Wirtschaftsprüfung – bitte, wie konnte so einen Laden und dessen Rechnungsabschlüsse so „geprüft“ und testiert werden? Vor allem fehlt es nun an geeignetem Krisenmanagement. Karl-Heinz Rüdisser scheint zu oft in den Akten auf, er war Kandidat des Wirtschaftsbundes, vor 15 Jahren sogar gegen Markus Wallner. Eine unabhängige, glaubwürde Aufarbeitung funktioniert so nicht. Die ÖVP will sich von innen neu aufstellen. Sie muss von außen durchleuchtet werden, will sie noch einen Rest des Vertrauens retten. Das würde anderen Bundesländern (und teils auch anderen Parteien) auch gut tun, übrigens.
Es fehlt vor allem an der Erkenntnis, dass dies die schwerste Krise ist, in der Landeshauptmann Markus Wallner je war. Die hilflose Herunterspiel-Verteidigungslinie, die wir sprechgleich von Wallner, Rüdisser, Tittler & Co. hören, es handle sich „nur um eine Steuerproblem, man müsse den Bericht der Finanzprüfer abwarten“ ist keine Minute länger gültig. Das ist kein Steuerproblem. Das ist ein Steuerungsproblem.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.